Ach, halt doch einfach die Fresse!

Sophisticated

Tim Walker
Ja, scheiße Kinder, ich weiß! Unter sophisticated stellen sich die meisten was anderes vor, als das, was jetzt kommt! Vielleicht poste ich aus Trost noch ein Foto von einer Business-Woman, wer weiß!

Was sich die allgemeinen Pferdefressen aber so unter dem Begriff vorstellen? Wahrscheinlich eine Auflistung aller neuen Prada- und Tom Ford-Brillen, neuen Features für´s Macbook ( oder aber wo es günstige Plastikbeutel gibt, mit denen man die durch die ansässigen Bibliotheken führen kann) oder  einfach nur Tipps, welches Outfit das richtige für den Besuch in der Lernanstalt ist! Bisschen Business-Chic für Jedermann!

Schade, dass die künftige vermeintliche Leistungselite den Begriff einfach nur als Synonym für "cosmopolitisch" und "elegant" verwendet!

So sitzen sie uniform in den Reihen der Bibliotheken (manchmal auch im Plenum), die schwarzumrandeten Brillen auf der Nasenspitze und kommen sich derweil so geschäftig vor, dass sie sich in der Mittagspause erstmal einen kleinen Weißwein gönnen müssen, als Alternative auch mal einen Latte Macchiato mit Karamell! Wieviele und differenzierte visuelle Eindrücke so ein Kaffee mit Milch schinden kann und in welchen Diversifikationen man ihn vorfindet, können wir dann auf den Blogs lesen, die sich zudem exzessiv mit Cupcakes auseinandersetzen ("love it")! Manchmal bedient man sich zum Stillen der voyeuristischen Masse auch den Social Networks. Wer sich da mehr freut weiß ich nicht: entweder die gebildete Mittelschicht, die sich nach demselben Cupcake sehnt und die dank Sekundärerfahrung social Network jetzt wissen ... oder die Verfasse selbst, die die Aufmerksamkeit, die den Posts zuteil wird mit der Aufmerksamkeit an ihre eigene Persönlichkeit verwechseln. Falls ihr euch an der Stelle angesprochen fühlt- ihr seid hier falsch!

Nicht, dass ich keine Brille hätte, kein Macbook oder aber mir die Patisserien in Feinkostläden kein Wasser im Mund zusammenlaufen liessen. Nein, das ist es nicht, was mich ärgert!
Das in Bibliotheken omnipräsente Unbehagen meinerseits rührt schlichtweg von der Tatsache, dass meine Kommilitonen offensichtlich mehr damit beschäftigt sind, wie ein Heer der Wissenschaft auszusehen und dabei fälschlicherweise der Idee obliegen, dass die passenden Waffen für den Wissenskrieg auch noch käuflich erwerblich sind! Die eingedieselte Anorektikerin neben mir ist mehr mit dem hornbrilletragenden Bootschuh-Fan vor uns beschäftigt, dessen I-Phone (ich schätze WhatsApp) in einer Tour vibriert, als ihrer Lektüre. Der blasse Jüngling zu meiner anderen Seite hat sich, nachdem er den Inhalt seines obligatorischen Plastikbeutels entleert hat, erstmal ein Päuschen verdient und schließt die Augen- allerdings nur bis die Halstücherträgerinnen zum allgemeinen "Go-see" antreten. Ich weiß ja, meine Haare sind fettig, weil ich keine Zeit zum Duschen hatte- dafür hab ich aber auch schon drei Vorlesungen transkribiert! "Aussehen ungleich Inhalt"- vielleicht sollte man das als Vorwort in jedes BWL-er Buch drucken lassen- weiter kommen sie ja meistens nicht! Ich fühl mich trotzdem unwohl in meiner Haut und komme mir nur wenig vor wie die außergewöhnlich Kreative, die ich gerne wäre! Vielleicht liegt das aber auch nur an der lächerlich geringen Anzahl von "Charms", die um mein Handgelenk baumeln. (Muss nachher mal direkt im Online-Shop nachgucken, ob es schon einen mit einer Schreibfeder oder so gibt!)

Trotzdem kann ich prophezeien wie die Klausurenphase ausgeht! Nicht aus unfundierten Vorurteilen oder weil ich in Klischees denke, sondern weil ich die Pappnasen um mich herum kenne und schon oft genug mein geduldiges Ohr gegen den Hörer gepresst habe, wenn ein "Nicht-bestanden" ins virtuelle Postfach flatterte! Der erste Vorwurf der lieben Durchgefallenen, die doch so sehr auf Reproduktion getrimmt waren, richtet sich gen Aufgabenstellung: "Da waren nur Transferaufgaben- wie soll man da denn bestehen?". Schwer möglich für einen Studenten, ich weiss! "Mal schauen- ich denke, ich geh zur Einsicht! Vielleicht kann ich da noch ein paar Punkte rausholen!"- Ja, jeder hat einen anderen Anspruch an die eigene Leistung! Und während ein ehrgeiziger und stolzer Mensch (in der Psychologie hieße es jemand mit "internaler Kontrollüberzeugung") den beschämenden Almosenantritt vorm Dozenten aus Prinzip verweigern würde (oder wenn er ihn doch täte, sich am Ende nur geknickt über das eigene Unvermögen als erleichtert oder zufrieden bezeichnete), so sind meine Bib´er Friends mit ihren Tods in Begeisterung und Glück kaum mehr zu halten! (Ich finde, man kann an dieser Stelle durchaus genauso ungehalten sein, was die Kulanz diverser Professoren betrifft).


Um jetzt den Bogen zu schlagen: "Mainstream" heißt ein Buch von Frederic Martel, in dem es darum geht, wie das Fernsehen uns alle auf intellektueller Ebene gleichschaltet. Das Fernsehen gibt den Wortschatz vor, die Interpretation und es liefert keine Inspiration.
Letztendlich ist der Besuch in einer Bibliothek in etwa dasselbe wie Fernsehen- man wird auch meingestreamt! Die sophisticated natural Bib´ers geben das adäquate Lernverhalten vor und alle tun es ihnen gleich, weil man sich sonst als hässlicher (vielleicht durchaus intelligenter) Außenseiter in einer Masse von ästhetischen Luftpumpen wiederfindet- will ja widerum auch niemand!

Wo kommen also die "kreativen" her? Die Exoten? Müssen ja ihre Inspiration auch von irgendwoher nehmen- ja, klar: Das Medium heißt "Buch" und bietet Kompensation für alle thematischen Wünsche, die in der Glotze oder der Bib offen bleiben! Die meisten bieten sogar einen größeren Wortschatz (bei Gusto sogar einen guten alten deutschen). Und mal abgesehen davon ist es doch so, dass es schon einiger gewisser Voraussetzungen braucht, um überhaupt ein Buch zu schreiben (mal abgesehen von der Naddel-Biografie)! Klug trifft hier also auf klug, kreativ auf Kreativiät! Alles in einer Aufwärtsspirale der geistigen Entwicklung! Bücher bilden!

Credo also: Mal was neues wagen! Sich absetzen von der Masse- mal ´n gutes Buch lesen! Denn auch, wenn die Bib´er es schon versucht haben hinter ihren Blackberries zu camouflieren- sophisticated steht auch für "intellektuell"!

Und wenn man sich mit ´nem echten Buch in der Hand im Bib´ er-Kosmos immernoch scheiße fühlt, dann tut´s sowas hier für den Anfang sicher auch um die individuelle Abgrenzung zu vertuschen und sich selbst, samt Umfeld systematisch zu desensibilisieren: http://www.louisvuitton.com/de/flash/index.jsp?direct1=cata