Ach, halt doch einfach die Fresse!

Donnerstag, 22. September 2011

Go fuck yourself: Frustrierte Mittvierziger

Ja, heute schreibe ich ein "Halt einfach mal deine Fresse" in Stellvertretung! 
Natürlich hab ich schon genug frustrierte Mittvierziger getroffen, mich an unendlich vielen aufgerieben- leider hat mich noch keiner so krass genervt, dass ich ihm oder ihr meine wertvollen Worte widmen mussten! 


Stellvertretend tu ich das aber nun, um meinen niederen Rachegelüsten Herr zu werden- mal bisschen Dampf ablassen, wa? Schadet grundsätzlich nie!


Wer sich im Folgenden wiederfindet? All diejenigen, die irgendwann ihr Geld mit Arbeit verdienen müssen, die nicht wie eine Matheaufgabe entweder richtig oder falsch sein kann. Sondern so eine Art von Arbeit, mit eher normativem Charakter. Nehmen wir zum Beispiel den Journalismus:

"Schreiben kann jeder aber nicht jeder kann schreiben!"

Syntax und so sind richtig, auf Diktate bekam die kleine Uschi in der Grundschule schon immer ´ne 1. Auch die Grundsatzfragen: Wer? Wie? Wo? Was? Wann? und Warum? sind präzise beantwortet!

Aber wie reizvoll ist es wohl, in einer Zeitung zu lesen:


"Herr Riemann, 36, ist Hasenzüchter in dritter Generation. Er lebt im schönen Schwerin und finanziert sich sein Hobby über den Verkauf von Pornokassetten. Dieses Wochenende wurde er aber aufgrund des illegalen Vertriebs von der Polizei verhaftet!"

Klar, sowas steht dann in der Lokalzeitung, die Uschi abonniert hat! Die flattert jeden Morgen schön geregelt und leicht verständlich in ihren Briefkasten! Wenn Uschi damit fertig is, geht sie auf die Arbeit. Sie is´ Kassiererin und verantwortlich für das Beschriften der Tafel vor der Cafeteria. Das kann sie ja so gut! Das größte Problem, was Uschi in ihrem Job ab und zu serviert bekommt, ist, wenn die Kasse nicht stimmt. Was hat sie falsch gemacht, die Uschi? Ach ja, richtig- die Cola vom Seniorchef wurde ja nicht abgerechnet. Problem erledigt! Ein Glück dass man das in der Abrechnung so leicht nachlesen kann! Nach der Arbeit ruft Uschi dann ihre Freundin Uschi an. die arbeitet ja bei der Lokalzeitung.

"Hallo?"
-"Hey Uschi, ich bins! Hab heute morgen den Artikel über den Riemann gelesen! Der war wirklich gut!"
"Danke Uschi, das hat mein Chef auch schon gesagt! Ich bin furchtbar stolz auf mich! Musste auch nur zwei-, dreimal in "Lernhilfe Deutsch Klasse 7-9 nachgucken. Stell dir vor, morgen fahre ich zum Karnevalsverein von Brüsewitz- die haben fünfzigjähriges Jubiläum!"
-"Nein, wie krass is das?"

Und während die Uschis sich so weiter über ihre nicht vorhandene Genialität und dem Lob über selbige unterhalten sitzt am anderen Ende von Schwerin die kleine, unverstandene Mechthild und plagt sich mit Selbstzweifeln!

Mechthild hat auch über Hernn Riemann berichtet! Und liest ihren Artikel immer und immer wieder:




"Riemann und die Häschen", schlägt einem der Titel entgegen. Darunter ein Foto eines dicklichen Frührentners, der perfide und unsicher in die Kamera grinst!

" Herr Riemann und die Häschen- eine Liebesgeschichte der ersten Stunde: Herbert Riemann, leidenschaftlicher Hasenzüchter und nicht ganz so unscheinbar, wie sein Name vermuten lässt, braucht Geld! Denn Herbert ist seit Jahren arbeitsunfähig und kann sich von der Rente das Hasenfutter nicht mehr leisten! 
Ohnehin schon eine sehr traurige Geschichte, wenn man sie schwarz auf weiß und ungeschönt zu Papier bringt. Aber damit nicht genug Unglück für den Tierfreund: 


Ohne kroteske Stereotypen entwerfen zu wollen- aber was wäre ein guter Herbert Riemann ohne so richtig Dreck am Stecken? Witzlos! 
Also lässt sich der Tierfreund aus seiner großen Not heraus auch noch von einem Freund dazu überreden, illegale Pornos aus Osteuropa zu verticken. 
"Mit Häschen kenne ich mich ja gut aus", zwinkert Herbert und fügt verschwörerisch hinzu: "Nur dass mir die ohne Pelz schon immer lieber waren!" 


Der allgemeine Verdacht auf einen Sodomisten hat sich somit erledigt! 


Und auf seine Häschen wird Riemann in Zukunft leider gänzlich verzichten müssen. Die Kriminalpolizei Schwerin hat nämlich aus Verdacht auf ein mögliches Pornokassetten-Versteck auch noch die Hasenställe abgerissen, nachdem ein anonymer Tipp bei der Polizei eingegangen war.  Ihr Sprecher erklärt: "In Fällen wie diesem ist es ohne Frage wichtig, alle Beweisstücke einzuholen, damit den Tätern die Möglichkeit auf weitere Illegalitäten genommen wird. Die Hasen befinden sich nun in der Obhut eines Tierheims und werden kostenlos an liebevolle Familien weitergegeben!" 


Ob es Herberts osteuropäischen Häschen genauso ergeht bleibt fraglich! Seine Tierliebe bezahlt er jetzt mit 3000 Euro. Um den Verlust zu kompensieren, verrät er im Interview, hat er heimlich eine Kassette behalten! Die Karotte für das Häschen ist dann auch umsonst!" 

Ästheten und solche, die es gerne werden wollen lesen gerne Mechthilds Artikel lieber als den von der Uschi. Leider weiss sie das noch nicht!
Das einzige, was Mechthild nämlich weiß ist der ungeschmückte Vorschlag ihres älteren Arbeitskollegen:

"Weißt du, ich habe schon viele gesehen, die besser waren als du! Aber keine Angst, es waren auch einige dabei, die schlechter waren! Es ist wohl eine Frage des Talents. Aber du hast immernoch die Möglichkeit reich zu heiraten und dir ein Kind machen zu lassen!"

Und obwohl auch Mechthild ein normativer Mensch ist, so lässt dieser Satz sich nicht anders interpretieren, als er gesagt wurde: Unfreundlich ehrlich!
Also beginnt sie sich zu hinterfragen: Studium, wozu? Habe ich wirklich kein Talent? Sollte ich nicht vielleicht doch lieber was anderes machen?

Da hilft auch das Lob von ihrer Mama nix. Die hat sowieso keine Ahnung! Oder hat sie etwa ´nen Ratgeber rausgebracht, der ungefähr so heißt, wie "So berichtet man gewitzt und trotzdem informativ über Banalitäten"?! Nein! Also gibt es wohl auch keinen anderen Leser, der das auf dieser Grundlage beurteilen kann! Mechthild sucht nach einem Beweis dafür, dass sie was kann. Den Begriff "normatives Axiom" gibt´s aber noch nicht im Lexikon.

Schließlich kommt sie zur einzig möglichen Conclusio: Mechthild, mach dir nix vor. Du kannst es nich! Lass es doch einfach bleiben! Und resigniert! Natürlich hätte sie sich stattdessen auch wie Uschi oben an "Lernhilfe Deutsch" orientieren können- aber ihrem Anspruch an sich selbst als Journalistin hätte das nicht gereicht!

Mechthild heiratet dann tatsächlich reich- nur drei Jahre, nachdem sie ihrem vorgesetzten Mittvierziger eine Flasche teuren Vino und eine Karte mit der Unterschrift: "Danke, dass Sie mir die Augen geöffnet haben!" überreicht hat!

Im Schweriner Printwesen geht es eine zeitlang weiter wie gehabt. 5 Jahre später hat aber Uschis Reginalblatt Mechthilds Tageszeitung aufgekauft und die Monopolisierung beginnt.
10 weitere Jahre ziehen ins Land, bis Schwerin die deutsche Stadt mit der höchsten Arbeitslosenquote ist, weil sie den Umstieg von der Industrie- auf die Informationsgesellschaft einfach nicht schafft! Deutsche Grammatik beherrscht man immernoch. Aber Schwerins Wortschaft schrumpft jedes Jahr um 76%- geschweige denn, dass man Englisch spricht oder über den Status Quo der Stadt und dessen Ursachen noch reflektieren kann ("Unsere Sprache bestimmt, was wir denken").

Mechthilds ehemaliger Chef sitzt mittlerweile ,sehr ergraut und faltig, ebenfalls mit Uschi an der Cafeteriakasse und empört sich über dem monotonen "Pieppieppiep" über diesen Missstand:

"Wir haben doch alles richtig gemacht, ich verstehe einfach nicht, wie es so weit kommen konnte!"


Ja meine Damen und Herren und auch ich kann an dieser Stelle nur sagen, dass selbst wenn ich mich eins zu eins an die Ikea Aufbauleitung halte, am Ende trotzdem nur selten das rauskommt, was ich eigentlich im Katalog als Regal interpretiert habe! Wie bekommt man dann trotzdem das, was man möchte? Improvisation und Fantasie ermöglichen die individuellen Lösungen! Begriffe, die einigen im sicherheitsbedürftigen Alter um die Vierzig, gänzlich unsympathisch erscheinen mögen.


Also rate ich allen frustrierten Mittvierzigern, die es selbst nicht geschafft haben einmal Außergewöhnliches (mit Erfolg) zu tun: Haltet doch einfach mal die Fresse!


....mit dem Zusatz: und nehmt denen, die noch die Chance dazu haben nicht die Motivation! 

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